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Ordentlich

Aktualisiert: 5. Jan. 2020

Gestern kam jemand auf mich zu, der sich in seiner Küche nicht richtig wohlfühlte. Die Möbel waren neu und von guter Qualität und die Planung war auch nicht verkehrt.

Ob man denn eine andere Arbeitsplatte bestellen sollte? Oder eine Wand in einer anderen Farbe? Oder.. oder...?



Es ist nicht leicht, dann eine Antwort zu formulieren, die nicht verletzend, aber dennoch auf den Punkt kommt:


Auf der Arbeitsplatte sammelte sich alles an, was in den Schränken keinen Platz mehr gefunden hat, weil auch die übervoll waren.

Auf dem Regal hatte die Kaffeebechersammlung Mühe, sich gegen diverse Gadgets, Vasen und gerahmte Familienfotos zu behaupten. Eine Pinnwand quoll über mit witzigen Postkarten, Abholscheinen für die Reinigung, kleinen Papierschnipseln mit draufgekritzelten Telefonnummern, Rezepten aus Zeitschriften, etc. etc.

Das meiste davon sicher schon erledigt.

Eine Pflanze kümmerte in einem viel zu kleinen Topf vor sich hin.






ein ganz normaler Haushalt


Ich schreibe hier von einem ganz normalen, sauberem Haushalt mit ganz normalen, netten Leuten und ihrem normalen Alltag. Aber dass dieses Sammelsurium von Dingen, Formen, Farben und Materialien jede Struktur des Raumes überrannte, hatte niemand bemerkt. Nur, dass die Küche nicht gefiel und sich niemand gerne darin aufhielt.


"Ha!" kommt nun sicher der Gedanke "woher wollen Sie denn wissen, wann es jemand noch gemütlich oder schon unordentlich findet - das muss doch jeder für sich selbst entscheiden."

Natürlich, und jeder hat hier ein anderes Empfinden.

(Was im Übrigen immer ein Anlass zu Streit in Beziehungen ist, auch denen am Arbeitsplatz.)


Aber was nützt eine neue Wandfarbe, wenn sie gar nicht wahrgenommen wird, weil das Auge so viel zu tun hat, das Zimmer zu erfassen.

Je mehr unterschiedliche Dinge sich auf kleinem Raum tummeln, desto unruhiger wird es und diese Unruhe überträgt sich auf die Bewohner.

Bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger.



Und ich unterstelle, dass es bei den meisten von uns eher mehr ist - aber man sich gerne um dieses lästige Aufräumen herumdrückt und stattdessen behauptet "ich mag das so". Denn Aufräumen ist nicht umsonst eine extrem ungeliebte Disziplin.


So zwingt sie uns zu Entscheidungen, die uns schwerfallen:

Was kann weg?


Minimalismus oder geliebtes Chaos?


Sicher ist, dass wir alle viel zu viele Dinge besitzen. Ich bin wahrlich keine Minimalistin, aber in einigen Punkten bin ich ganz strikt:

- Warum soll ich einen Pullover aufheben, den ich nicht mag und sehr wahrscheinlich äußerst selten anziehen werde?

 - Warum soll diese Tupperdose, der ein Deckel fehlt, im Schrank stehen, da ich sie nicht nutzen kann? Entweder ich bestelle einen neuen Deckel (geht auch ohne Party, das habe ich schon ausprobiert), oder - da ich das nicht getan habe, vermisse ich sie auch nicht - sie kann weg.

- Warum sollte ich drei Grillzangen in der Schublade haben? Oder zwei Eierschneider oder, oder  - Sie wissen schon, was ich meine: diese Doubletten.


Die Liste ließe sich unendlich verlängern und jeder hat seine eigenen Schwerpunkte. Ich "brauche" Dinge, die mein Gatte als überflüssig erachtet und umgekehrt. Und ja, da sind etliche Klischees dabei. Finde ich uncool, ist aber so: z.B. die kleine Vase aus Biskuitporzellan, von der ich meine, dass sie in jeden anständigen Haushalt gehört. Gatte meint dagegen, das Autoputzzeug sei unverzichtbar.

Da muss man einen gemeinsamen Nenner finden und sich in Toleranz üben.



loslassen


Aber warum trennen wir uns so ungern?

- Man könnte es noch einmal gebrauchen.

- Das war teuer.

- Das hat mir jemand, den ich sehr gerne mag, geschenkt.

- Das ist eine schöne Erinnerung an etwas.


Die beiden ersten Punkte lasse ich nicht gelten. Wenn ich es bis jetzt nicht gebraucht habe, ist die Wahrscheinlichkeit gleich Null, dass ich es zu einem späteren Zeitpunkt benötige. Und wenn doch: dann kann ich es sicher vom Nachbarn leihen.



Es macht mich nicht glücklich.


Ja, es war teuer, aber macht nicht glücklich. Soll ich mich nun jedesmal ärgern, wenn ich den Schrank öffne und da liegt dieser sündhaft teure Pulli, der mir aber gar nicht steht und den ich deswegen nie anziehe? Das Geld ist sowieso weg und kommt auch nicht wieder, nur weil das Ding noch in meinem Besitz ist.


Bei den beiden letzten Punkte wird es schwieriger.

Natürlich darf ich Dinge mit emotionalen Wert behalten! Aber nur, weil mir jemand etwas geschenkt hat, wird es nicht nützlicher oder schöner.


Ein Beispiel:

Vor vielen Jahren kamen Kunden zu mir mit dem Wunsch, den Wohnraum umzugestalten zuerst drehte sich alles um einen alten, hässlichen Schrank.

Der musste bleiben, weil er von den Eltern geschenkt war - und jetzt kommt's - weil diese sich einen neuen gegönnt hatten.

Am Ende durfte er das Haus verlassen, aber es bedurfte dazu schon einer gehörigen Portion Fingerspitzengefühl.

Natürlich möchte ich einem lieben Menschen, der mich mit einem Geschenk bedacht hat, nicht vor den Kopf schlagen. Aber möchte ich mich in Gestaltungsfragen einem unglücklich ausgesuchtem Ding unterwerfen?


Haustiere sind hier unschätzbar gute Assistenten zur Lösung dieses Problems. Was unsere Kätzchen im Laufe ihres Lebens zerdeppert und klaglos die Schuld auf sich genommen haben ...*plaudert aus dem Nähkästchen* 

 


Die Diktatur der ungeliebten Dinge




Aber es geht natürlich auch anders. Offene Worte bei einer passenden Gelegenheit oder - und das ist meist die charmantere Lösung - striktes Nichtbenutzen und Nichtdekorieren wird dem Schenkenden schon sagen, dass er sich vertan hat. Das Ding aber unerwähnt zu spenden birgt allerdings die Gefahr, dass es im Oxfamschaufenster entdeckt wird.


Aufräumen ist wirklich eine Herausforderung. Es kostet Zeit und Energie und man muss sich mit Dingen auseinandersetzen, die einem vielleicht nicht lieb sind. Wie z.B. der Fehlkauf des Pullis. Oder man verliert sich in Erinnerungen. Aber damit kann man einen kalten, regnerischen Nachmittag im November doch ganz gut verbringen, oder?





weniger, aber besser kaufen


Viel schwieriger ist die Disziplin "nicht kaufen".

Die Verlockungen sind groß. In unserer Gesellschaft ist immer alles jederzeit verfügbar. Dass das nicht nicht gut ist, wissen wir längst. Nur mit dem Ändern tun wir uns wirklich schwer. Unsere Gesellschaft ist ganz darauf ausgelegt, dass wir konsumieren und zwar bitte reichlich. Auch hier wissen wir, dass das nicht gut ist. Es ist sogar lebensgefährlich - wir wissen, dass unsere Art zu Leben unsere Erde zerstört.


Sagt eine, die davon lebt, dass andere konsumieren.


So schnell kommt man vom Aufräumen zu dem wichtigsten Thema unserer Zeit. Gehört das überhaupt hierher, so mal schnell im Vorbeigehen angerissen? Ja. Denn wir können es uns nicht mehr leisten, die Augen davor zu verschließen. Darf ich, die in dieser Beziehung auch Fehlverhalten zeigt und keine Expertin ist, überhaupt darüber schreiben? Natürlich. Und es ist mir sehr bewußt, was alles daran hängt: was  passiert denn, wenn wir alle aufhören zu konsumieren? Wie muss unsere Gesellschaft - in diesem Falle sogar die Weltgesellschaft - aussehen, damit wir aufhören, überflüssige Dinge zu produzieren und zu verkaufen?


Werde ich hier mit erhobenem Zeigefinger auf andere zeigen? Sicher nicht. Ich kann mich selbst in Frage stellen, meinen Konsum und meine Arbeitsweise. Und in der Konsequenz auch die Art und Weise beeinflussen, in der renoviert wird. Lösen werde ich das Problem nicht. Einen Teil dazu beitragen aber kann ich und ich bin mir bewußt, dass da noch viel Luft nach oben ist, obwohl ich etliche Dinge schon geändert habe.




Nun habe ich wirklich einen großen Schlenker gemacht.

Habe ich Sie damit vergräzt? Nun, das soll nicht der Sinn dieses Blogs sein, aber es gibt Dinge, die mir auf der Seele brennen und es ist so schwer, diese ungesagt zu lassen. Auch merke ich, dass zunehmend meine Kunden mich damit konfrontieren.





mal ganz ehrlich


Aber zurück zum aufgeräumten Haus:

Ich bin natürlich nicht die erste, die zu dem Thema schreibt und sehr sicher habe ich Ihnen auch nichts Neues erzählt. Da ich aber immer, immer wieder Fotos von Häusern und Wohnungen zu sehen bekomme, deren Hauptproblem nicht die Möbel, sondern das Durcheinander von den anderen Dingen ist, war es mir hier ein paar Worte wert.



Und nun noch ganz pragmatisch:

Wenn Sie das Gefühl haben, etwas stimmt nicht mit Ihrem Wohnzimmer, befreien Sie es erst einmal von allen "Nichtmöbeln": Bilder, Vasen, Dekoration, Teppiche, Leuchten, Kissen etc.

Man neigt dazu, nach dem Staubwischen alles wieder genauso hinzustellen, wie es vorher war und zudem sammelt sich im Laufe der Zeit noch einiges an.


Nehmen Sie nun die Dinge, die Sie wirklich, wirklich toll finden und suchen Ihnen ein schönes Plätzchen. Das ist vielleicht nicht der Stammplatz. Sie werden bei dieser Aktion auch feststellen, dass einige der Dinge nicht mehr wirklich schön sind.


Kissen sind schlapp oder haben Flecken, die nicht mehr rausgehen. Das gehört auf den Müll und nicht in Ihr Wohnzimmer. Seien Sie streng. "Das war teuer" lasse ich nicht gelten. (s.o.) Überlegen Sie mal, wie lange das Kissen in Ihrem Besitz ist. Meistens ist es länger, als man denkt - und irgendwann hat ein Ding auch seinen Dienst getan.


Steht das nun im Widerspruch zu dem, was ich oben geschrieben habe? Bestimmt. Aber ein kaputtes Kissen nützt niemandem. Und ich habe nicht gesagt, dass Sie gleich losrennen und ein neues kaufen sollen. Ich hege nämlich den Verdacht, dass es da noch genug Ersatz im "Fundus" gibt. Oder Sie vielleicht auch keine fünf, sondern nur drei Kissen auf der Couch brauchen, damit es top aussieht.



Am Ende des Tages bleiben viele Dinge übrig. Entscheiden Sie, welche Sie davon mögen und welche nun wirklich Ihr Haus verlassen können. Sie dürfen gerne ein paar Sachen in einen Karton packen und dann tauschen Sie bei der nächsten Aktion die Accessoires. Sie werden feststellen, dass Sie einige davon plötzlich mehr wertschätzen als zuvor, weil so wenig Konkurrenz herumsteht.

Und dass es wieder ganz anders aussieht, ohne dass der Maler da war.



Wenn Sie aber keine Lust haben, dass alleine anzugehen oder Unterstützung wünschen, rufen Sie mich an.





Aufgeräumte Grüße

Ihre

NIC



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